Kategorie: Filmvorführung

  • „Und das erzählst du dir selbst? Warum?“ „Na ja, sonst ist doch niemand da, den so was interessiert.“ Herr Koreander schwieg eine Weile nachdenklich. „Was meinen denn deine Eltern dazu?“ Bastian antwortete nicht gleich. Erst nach einer Weile murmelte er: „Vater sagt nichts.

    Er sagt nie was. Es ist ihm alles ganz gleich.“ „Und deine Mutter?“ „Die – ist nicht mehr da.“ „Sind deine Eltern geschieden?“ „Nein“, sagte Bastian, „sie ist tot.“ In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Herr Koreander erhob sich mit einiger Anstrengung aus seinem Lehnstuhl und schlurfte in ein kleines Kabinett, das hinter dem Laden lag. Er hob ab, und Bastian hörte undeutlich, wie Herr Koreander seinen Namen nannte. Dann schloß sich die Tür des Kabinetts, und nun war nichts mehr zu hören als ein dumpfes Gemurmel. Bastian stand da und wußte nicht recht, wie ihm geschehen war und warum er das alles gesagt und zugegeben hatte. Er haßte es, so ausgefragt zu werden. Siedendheiß fiel ihm plötzlich ein, daß er schon viel zu spät in die Schule kommen würde, ja, gewiß, er mußte sich beeilen, er mußte rennen – aber er blieb stehen, wo er stand und konnte sich nicht entschließen. Irgend etwas hielt ihn fest, er wußte nicht was. Die dumpfe Stimme klang immer noch aus dem Kabinett herüber. Es war ein langes Telefongespräch. Bastian wurde sich bewußt, daß er die ganze Zeit schon auf das Buch starrte, das Herr Koreander vorher in Händen gehalten hatte und das nun auf dem Ledersessel lag. Er konnte einfach seine Augen nicht abwenden davon. Es war ihm, als ginge eine Art Magnetkraft davon aus, die ihn unwiderstehlich anzog. Er näherte sich dem Sessel, er streckte langsam die Hand aus, er berührte das Buch – und im gleichen Augenblick machte etwas in seinem Inneren „klick!“, so als habe sich eine Falle geschlossen. Bastian hatte das dunkle Gefühl, daß mit dieser Berührung etwas Unwiderrufliches begonnen hatte und nun seinen Lauf nehmen würde. Er hob das Buch hoch und betrachtete es von allen Seiten. Der Einband war aus kupferfarbener Seide und schimmerte, wenn er es hin und her drehte. Bei flüchtigem Durchblättern sah er, daß die Schrift in zwei verschiedenen Farben gedruckt war.

    Bilder schien es keine zu geben, aber wunderschöne, große Anfangsbuchstaben. Als er den Einband noch einmal genauer betrachtete, entdeckte er darauf zwei Schlangen, eine helle und eine dunkle, die sich gegenseitig in den Schwanz bissen und so ein Oval bildeten.